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  • Sofie Woldrich

Was es wirklich bedeutet, treu zu sein


Foto: Cora Ohm; Model: Sofie Woldrich

Die Standardfrage bei Tests in der „Bravo“, der „Girl“ oder der „Mädchen“, ob ich lieber ein paar enge Freundschaften habe oder einen großen Freundeskreis, führte immer wieder dazu, dass ich meine Art, Freundschaften zu führen, anzweifelte. Ich hatte einen großen Freundeskreis, Partys mit 20 Gästen waren bei mir keine Seltenheit. Doch zugleich waren mir Verbindlichkeit und Intimität in Freundschaften sehr wichtig. Wenn es bedeutete, bei einem großen Freundeskreis keine tiefen Freundschaften haben zu können, machte ich wohl irgendwas falsch.

Noch schlimmer wurde dieses Gefühl, wenn es um die Frage nach der Treue ging. Treue war mir immer wichtig, doch oft bekam ich von anderen vorgeworfen, ich gäbe ihnen Grund zur Eifersucht. Wie konnte ich treu sein, wenn ich so viele Menschen auf einmal liebte?


Viele Freunde und Freundinnen


Ich lernte gerne neue Leute kennen und begeisterte mich schnell für sie. Entsprechend viele Kontakte hatte ich. Dennoch wählte ich meine Freund:innen immer bewusst aus. Wenn jemand nicht zu mir passte, merkte ich das meist recht schnell. Ich bin mir sicher, jeden, den ich früher Freund:in nannte, hätte ich um 2 Uhr nachts anrufen können und der- oder diejenige wäre für mich da gewesen. Und andersrum. Das war damals meine Vorstellung von Freundschaft.

Was mir fehlte waren Menschen, mit denen man selbstverständlich in den Urlaub fährt, Geburtstag feiert und Erfolge teilt. Ich glaube, ich aber auch die Menschen um mich befanden sich auf der Suche. Danach, mit wem sie eine so verbindliche Freundschaft führen wollen.

Zum Teil hatte ich auch Angst. Dass ich in diese Art von Freundschaft investiere und der oder die andere nicht auf die gleiche Weise mit mir befreundet sein möchte. Ich habe oft erlebt, dass ich, zumindest damals, ein höheres Bedürfnis nach Verbindlichkeit hatte, als andere. Sicherer schien es, mir mehrere Freund:innen zu suchen. Wenn eine Freundschaft auseinander brach, war das schmerzhaft. Doch zumindest hatte ich noch andere Freund:innen.

Auch heute noch lerne ich gerne neue Menschen kennen und habe ein großes Netzwerk. Und ich muss zugeben: Ich kann nicht mit 30 Leuten eine enge Freundschaft führen. Nicht auf einmal zumindest.

Doch ich kann sehr wohl mit vielen Leuten in Kontakt stehen und gleichzeitig enge Freundschaften führen. An dieser Stelle finde ich interessant, zwischen Netzwerk und Freundschaften zu unterscheiden. Manche Menschen lassen sich beidem zuordnen. Aber mit einigen habe ich nur einen Kontakt, der sich auf die Arbeit bezieht, während andere zwar gute Freund:innen sind, aber ich mit ihnen niemals ein Projekt umsetzen könnte.


Von gebrochenen Herzen und guten Gesprächen


Ich habe verstanden, dass auch Freundschaften immer ein Risiko sind. Natürlich können Freundschaften auseinander brechen und ja, das ist schmerzhaft. Doch wie in der Liebe werde ich keine engen Verbindungen eingehen können, wenn ich den Schmerz nicht in Kauf nehme.

Treue bedeutet nicht, immer füreinander da zu sein. Auch wenn es mir wichtig ist, meinen Freund:innen zuzuhören, wenn sie es brauchen, und zu wissen, sie erreichen zu können, wenn ich jemanden brauche, der mir zuhört. Es ist okay, wenn wir nicht jederzeit alles stehen und liegen lassen, um für andere da zu sein. Eine gute Freundschaft erträgt es, wenn mal andere Dinge wichtiger sind. Gerade in unserem Alter scheinen sehr viele Dinge wichtiger - Arbeit, Studium, Beziehung. Und dennoch glaube ich, eine treue Freundin zu sein. Denn wenn ich mal keine Zeit habe, komme sobald sich das ändert ganz sicher auf die Freundin oder den Freund zurück. Wenn ich zuhöre, mache ich das mit meiner ganzen Aufmerksamkeit. Ich zeige den Personen, dass sie mir wichtig sind. Treue bedeutet nicht, immer für jemanden da zu sein. Vielmehr geht es darum, immer wieder für jemanden da zu sein. Immer wieder zu der gleichen Person zurückzukommen.

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