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  • Sofie Woldrich

Kleine und große Gefühle

Wir können nicht selektiv fühlen


Foto: Cora Ohm



 

Ich nehme einen großen Schluck Kaffee und schließe die Augen. Ein Grashalm kitzelt mich und ich höre Stimmen, die lachen und sich unterhalten. Ich spüre die Sonne auf meinen geschlossenen Augenlidern und während ich meinen Gedanken hinterherhänge, realisiere ich, wie glücklich mich diese kleinen Dinge machen und immer schon gemacht haben. Wie lange mein Leben voll von Trauer und Angst war, obwohl ich so einfach glücklich zu machen bin. Aber das ist es eben gerade, wir können nicht glücklich sein, ohne auch traurig oder ängstlich zu sein. Wenn ich einfach glücklich zu machen bin, heißt das auch, dass ich einfach traurig zu machen bin und schnell Angst habe. Wenn ich tiefes Glück spüren will, muss ich akzeptieren, auch alle anderen Gefühle tief zu spüren. Ich habe mich Jahre lang auf die Gefühle konzentriert, die ich nicht wollte. Ich habe Jahre lang diese Gefühle, die ich nicht wollte, von mir weggedrückt. Aber das funktioniert nicht. In den Momenten, in denen ich sie nicht mehr von mir wegdrücken konnte, brachen sie alle über mich hinein. Wir leiden nicht, weil wir Schmerz spüren. Wir leiden, weil wir ihn nicht zulassen. Und ich bin froh, ihn zugelassen zu haben, denn nur so konnte ich erkennen, wie sehr mich Menschen in meinem Umfeld und ich selbst mich verletzten. Wir können nicht entscheiden, welche Gefühle wir spüren, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Wir können entscheiden, zu tun, als gäbe es sie nicht. Oder wir können uns entscheiden, zuzuhören.

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