- Sofie Woldrich
Über die Angst, als Feministin zu scheitern

Das Bild der „modernen Frau“ hat sich seit den 50ern stetig weiterentwickelt. Sie ist heute stark, selbstbewusst und unabhängig. Als Person wäre sie wohl eine Frau in hellem Leinenanzug, die mit Kaffee To Go und Smartphone in der Hand über eine Pariser Straße rennt. Oder eine stylische New Yorkerin, die in einem großen Verlagshaus arbeitet wie in „The Bold Type“. Wie ich diese Serie geliebt habe. Die drei Freundinnen halten zusammen und empowern sich gegenseitig in jeder möglichen Lage. Sie konzentrieren sich auf sich und ihre Träume. Männern gegenüber sagen sie klar ihre Meinung. Im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Serien und Filmen ist diese kaum vom männlichen Blick, dem sogenannten „Male Gaze“ geprägt, der Frauen gezielt erotisch inszeniert. Es gibt keine „Manic Pixie Dream Girls“ und keine „Cool Girls“, keine aufgedrehten Frauen mit leichten Macken, die den Mann dazu bringen, über sich hinauszuwachsen, keine „coolen“ Frauen, die die Leidenschaften des Manns (Autos, Gaming, Fußball) teilen und immer entspannt sind (aka keine extremen Gefühle zeigen). Weder die Manic Pixie Dream Girls, noch die Cool Girls stellen einen authentischen, komplexen Charakter da. Sie haben keine eigenen Bedürfnisse, entwickeln sich nicht weiter und vermeintliche Schwächen werden nicht hinterfragt. Beide Stereotypen sind nur dazu da, den Mann glücklich zu machen.
Neue Rollenbilder
Es ist gut, dass Serien wie „The Bold Type“, „Sex Education“ oder auch „The Marvelous Mrs. Maisel“ mit solchen Klischees brechen. Es gibt darin Gespräche, wie eine Frau beim Sex berührt werden will und wie nicht. Szenen, in denen eine Frau, weil sie an sich glaubt, ihren Vorgesetzten von sich überzeugen kann. Charaktere, die nicht nur toll aussehen, sondern einen tollen Humor haben, hin und wieder überfordert sind oder sich umentscheiden.
Was diese Serien oftmals auch vermitteln, ist: Eine starke, selbstbewusste, unabhängige Frau stellt ihre Karriere stets über eine Beziehung. Was könnte es Offensichtlicheres geben, um die Unabhängigkeit der Frau von Männern zu demonstrieren, als die Selbstverwirklichung über die partnerschaftliche Liebe zu stellen? Sei es die Chefredakteurin, die immer wieder Dates mit ihrem Mann verschiebt, um ihrer Arbeit nachzukommen. Die Stylistin, die die Liebe ihres Lebens verlässt, weil sie zeigen will: Sie kann das allein. Die Autorin, die eine perfekt scheinende Beziehung nicht eingeht, weil es die beruflichen Verhältnisse verkomplizieren würde. Die Comedian, die lieber auf der Bühne steht, als zurück zu ihrem Mann zu gehen. Ich weiß, was ihr jetzt denkt: Es ist doch extrem wichtig, Frauen zu zeigen, die nicht, sobald ein Mann in ihr Leben tritt, alles andere liegen lassen. Absolut.
Nur um ihm zu gefallen
Ich habe mehr als einmal meine Freundschaften, meine Träume, meine Arbeit hintenangestellt, weil ein Mann etwas von mir wollte. Und noch schlimmer: Ich habe oft, zu oft, meine Bedürfnisse ignoriert, um einem Mann zu gefallen. Eine gesunde Beziehung erfordert Raum für die Bedürfnisse von Beiden, sie erfordert Raum zum Wachsen und basiert auf gegenseitigem Respekt in allen Situationen, nicht nur den einfachen, schönen. In einer gesunden Beziehung unterstützt man sich gegenseitig, beide Partner:innen sind gleichberechtigt, es werden beide Seiten gehört und man geht aufeinander ein. Um aufeinander eingehen zu können, ist es wichtig, dass wir unsere Bedürfnisse äußern und das beginnt damit, dass wir uns selbst ernst nehmen. Wir brauchen Zeit unabhängig voneinander und manchmal stellen wir den oder die Partner:in hinten an, weil uns etwas wichtiger ist. Doch was, wenn das zum Dauerzustand wird? Was, wenn wir den Menschen, den wir lieben, immer wieder vernachlässigen? Oder ihn gar nicht erst in unser Leben lassen? Was, wenn wie in diesen Serien die Karriere stets über der Beziehung steht?
Ist uns die Karriere wirklich wichtiger? Oder wollen wir nur (mal wieder) jemandem beweisen, dass wir „es wert“ sind? Dass wir die Dinge, die Männer machen, auch können und zwar mindestens genauso gut?
Was ist, wenn wir die Liebe an erste Stelle setzen? Machen wir uns dann abhängig?
Eine gesunde Beziehung
Ich möchte jede Frau und jeden Mann dazu ermutigen, zu lernen, mit sich selbst klar zu kommen. Und ja, verdammt, folgt euren Träumen! Lasst auf keinen Fall, alles liegen, nur weil „er“ euch nach einem Date gefragt hat! Andernfalls wird er entweder sofort das Weite suchen oder ihr steuert geradewegs auf eine toxische Beziehung zu. Eine Beziehung kann nur gesund sein und bleiben, wenn wir wissen, dass wir ohne den anderen genauso viel wert sind. Wenn wir uns selbst lieben.
Uns selbst zu lieben bedeutet jedoch nicht, dass wir keine anderen Menschen mehr brauchen. Uns selbst zu lieben, bedeutet, Verantwortung dafür zu übernehmen, wen wir in unser Leben lassen und wie wir diese Beziehung gestalten. Wenn wir vor der Liebe davonlaufen aus Angst, uns von ihr abhängig zu machen, werden wir auf eine ganz andere Weise unfrei. Wir leben nach einem Ideal, das uns von außen oder von uns selbst auferlegt wurde, ohne zu berücksichtigen, dass sich Träume ändern. Wenn wir merken, dass es mit jemandem passt, ändern sich unsere Bedürfnisse unter Umständen. Liebe lässt sich nicht planen. Sie zu ignorieren, weil sie nicht in unseren Lebenslauf passt, ist kein Zeichen von Stärke. Stärke bedeutet auch, Gefühle zuzulassen. Verletzlichkeit zu zeigen. Zuzugeben, dass auch wir in unserem Inneren nach jemandem suchen, bei dem wir nicht nur stark wirken müssen. Jemanden, der uns auch ohne Erfolge feiert.
Und wenn es passt?
Ihr könnt mich nun gerne als unemanzipiert betrachten. Ich bleibe dabei: Wenn wir jemanden kennenlernen und es passt, und zwar so wirklich, nicht halbherzig, sondern aufrichtig, unignorierbar, aus tiefstem Herzen, dann tragen wir verdammt nochmal unseren Teil dazu bei, dass sich beide in der Beziehung wohl fühlen!